Der siebenundvierzigste Newsletter (2024)
Liebe Freund*innen,
Grüße aus dem Büro von Tricontinental: Institute for Social Research.
Am 31. Mai hat das US-Militär eine Grundsatzerklärung zur Zusammenarbeit der Verteidigungsindustrie im indo-pazifischen Raum verabschiedet, um die Kooperationen zwischen der Militärindustrie und ihren Verbündeten in der Region zu stärken. Die Grundsatzerklärung enthält Verpflichtungen zu Initiativen wie der Koproduktion von Raketen und Raketensystemen in Australien, der gemeinsamen Entwicklung von Hyperschall-Abfangraketen mit Japan und der perspektivischen Zusammenarbeit mit Südkorea bei Verteidigungstechnologien, einschließlich Artilleriesystemen. Diese Zusammenarbeit ergänzt das umfangreiche Netz indo-pazifischer Partnerschaften, das die Vereinigten Staaten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs aufgebaut haben.
Im Rahmen dieser vertieften Partnerschaft begab sich US-Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III am 15. November auf eine Reise in die Region, die ihn auch nach Australien, Fidschi, Laos und auf die Philippinen führen wird. Austins Reise begann im australischen Darwin, wo er mit seinen japanischen und australischen Amtskollegen das vierzehnte Trilaterale Treffen der Verteidigungsminister (Trilateral Defence Ministers’ Meeting, kurz TDMM) abhielt. In Australien befindet sich auch der Stützpunkt Tindal der Royal Australian Air Force (RAAF), dessen Ausbau die USA mitfinanzieren, um hier Bomber der Typen B-1 und B-52 mit US-Atomwaffen zu stationieren. In Laos wird der Verteidigungsminister am Verteidigungsministertreffen des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) teilnehmen, um die so genannte «Aggression in Südchina» Chinas zu besprechen. Ziel der Reise ist es, die Kontinuität der US-Politik in der Region zwischen den Regierungen des scheidenden Präsidenten Joe Biden und des neuen Präsidenten Donald Trump zu unterstreichen.
Anfang 2020 begann eine Gruppe von Menschen über die Notwendigkeit zu diskutieren, eine Plattform für die Diskussion über die Gefahren der militärischen Aufrüstung der USA – sowohl durch ihr eigenes Militärarsenal als auch durch ihre zahlreichen Militärbündnisse – entlang der ostasiatischen Küste zu schaffen. Diese Aufrüstung begann nach dem «Pivot to Asia» der USA, der 2011 unter US-Präsident Barack Obama eingeleitet wurde. Die Diskussion führte zur Gründung des Kollektivs No Cold War, das sich auf eine von vielen Einzelpersonen und Organisationen unterzeichnete Erklärung stützt. Das Kollektiv No Cold War veranstaltete sein erstes öffentliches Webinar am 25. Juli 2020 und hat seither 14 Briefings zu Themen wie dem Krieg in der Ukraine und der Aufrüstung der US-NATO-Militärmaschinerie in Nordostasien veröffentlicht.
Nach den US-Wahlen hat No Cold War das Briefing Nr. 15 veröffentlicht, in dem untersucht wird, was die zweite Präsidentschaft von Donald Trump für die Welt bedeuten wird, wobei der Schwerpunkt auf dem Neuen Kalten Krieg der USA gegen China liegt. Hier folgt das Briefing:
Briefing Nr. 15: Trumps Sieg ist ein morbides Symptom des imperialen Niedergangs der USA
Am 6. November wurde Donald Trump zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Damit steht fest, dass er im nächsten Januar in das Amt zurückkehren wird, das er 2021 im Schatten einer Verfassungskrise und eines gescheiterten rechtsextremen Putsches verlassen hat. Trump sicherte sich einen entscheidenderen und unangefochteneren Sieg als bei seiner ersten Wahl im Jahr 2016, als er die Volksabstimmung gegen Hillary Clinton verlor, sich aber im Wahlmännersystem (Electoral College) der Vereinigten Staaten durchsetzte – einem undurchsichtigen und zutiefst undemokratischen Mechanismus, durch den nur 0,03 % der wahlberechtigten Bevölkerung des Landes den*die Gesamtsieger*in bestimmen können, was aufgrund der militärischen und wirtschaftlichen Hegemonie der USA weitreichende Folgen für die ganze Welt hat.
Diesmal erhielt Trump über zwei Millionen Stimmen mehr als die Vizepräsidentin Kamala Harris und war damit der erste Kandidat der Republikanischen Partei seit zwei Jahrzehnten, der die landesweite Volksabstimmung gewann. (Dieses Ergebnis hatte weit mehr damit zu tun, dass die Demokraten seit 2020 fast zehn Millionen Stimmen verloren haben, als mit dem geringfügigen Zuwachs bei Trumps Unterstützern.) Noch wichtiger ist, dass Trump alle sieben «Swing States» im Electoral College für sich entscheiden konnte.
Ein höchst symbolträchtiger Ausgang dieser Wahl fand in Michigan statt, wo der größte Anteil arabisch-amerikanischer Wähler*innen des Landes lebt. Hier besiegelte die lautstarke militärische und diplomatische Unterstützung der Regierung Biden-Harris für Israels völkermörderischen Angriff auf den Gazastreifen und den Libanon wohl ihre schmachvolle Niederlage. In der mehrheitlich arabischen Stadt Dearborn erreichte Harris weniger als die Hälfte von Bidens Stimmenanteil für 2020 und fiel hinter Trump zurück, während die Anti-Völkermord-Kandidatin der Grünen, Jill Stein, auf über 18 % zulegte. Landesweite Umfragen des Council on American-Islamic Relations ergaben, dass sich erstaunliche 53 % der muslimischen Wähler*innen für Stein entschieden, da sie erkannt haben, dass beide großen Parteien unausweichlich in die imperialistische Aggression im Ausland und die gewaltsame Unterdrückung der Palästina-Solidaritätsbewegung im Inland verwickelt sind.
Auch wenn Kernelemente der traditionellen Wählerschaft der Demokratischen Partei die Biden-Harris-Regierung wegen ihrer mörderischen Außenpolitik im Stich gelassen haben, wird die kommende Trump-Präsidentschaft den Palästinenser*innen nach mehr als einem Jahr Völkermord im großen Stil keine Erleichterung bringen. Trump hat mehrfach seine Absicht bekundet, das Netanjahu-Regime in Gaza «die Arbeit zu Ende bringen» zu lassen, und alles deutet darauf hin, dass er Bidens Vorstoß für einen «neuen Nahen Osten», der vollständig dem Zionismus und dem US-Imperialismus untergeordnet ist, beibehalten und sogar beschleunigen wird. In Anbetracht seiner früheren und gegenwärtigen Kriegslust gegenüber dem Iran – er hat Qassem Soleimani ermordet und ist in seiner ersten Amtszeit einseitig aus dem Iran-Atomabkommen (offiziell der Joint Comprehensive Plan of Action, kurz JCPOA) ausgestiegen – wird er wahrscheinlich noch weniger Hemmungen haben, die Krise zu einem ausgewachsenen regionalen Krieg zu eskalieren. Ein deutlicher Hinweis darauf ist Trumps Ernennung des Iran-Falken Marco Rubio zum Außenminister und von Brian Hook (Verfasser der Strategie des «maximalen Drucks» gegen Teheran in seiner ersten Amtszeit), der den Übergang überwachen soll.
Die Ernennung von Rubio, der in der Vergangenheit eine fast gleich kriegerische Haltung gegenüber Russland eingenommen hat, scheint die weitgehend spekulativen Hoffnungen zu zerstören, dass Trump den Stellvertreterkrieg der NATO in der Ukraine zumindest deeskalieren würde. Solche Hoffnungen waren durch die Pläne seiner engsten außenpolitischen Berater genährt worden, die US-Militärhilfe von der Bereitschaft der Ukraine abhängig zu machen, mit Russland über einen vorübergehenden Waffenstillstand zu verhandeln und diesen zu akzeptieren, und gleichzeitig damit zu drohen, «die Schleusentore zu öffnen», falls Moskau diese Vereinbarung ablehnt. Dahinter steckt kein prinzipielles Bekenntnis zur Diplomatie, sondern eine ebenso kriegerische Realpolitik, die China als den Hauptfeind der Vereinigten Staaten ansieht und darauf abzielt, die militärischen Mittel der USA in eine noch bedrohlichere Einkreisung dieses Landes umzulenken.
Der Trump-Insider Eldridge A. Colby hat einen umfassenden Plan ausgearbeitet, um China zu einem Krieg um Taiwan zu provozieren, und der von ihm vorgeschlagene Nationale Sicherheitsberater Mike Waltz wäre gut aufgestellt, um ihn auszuführen. In der Tat wird Trump in seiner zweiten Amtszeit den hybriden Krieg der USA gegen China, der in seiner ersten Amtszeit dramatisch eskaliert ist und unter Biden unvermindert fortgesetzt wurde, mit ziemlicher Sicherheit intensivieren – nicht nur im militärischen Bereich, sondern auch in der Informationskriegsführung und der Handelspolitik. Insbesondere hat er vorgeschlagen, auf alle Einfuhren in die USA Zölle von mindestens 10-20 % und auf Einfuhren aus China Zölle von 60 % zu erheben. Dies würde die Verbraucherpreise drastisch erhöhen und den Durchschnittshaushalt nach Angaben des Tax Policy Center rund 3.000 Dollar pro Jahr kosten.
Eine solche Politik würde eine Bevölkerung, die bereits unter dem Angriff der Biden-Harris-Regierung auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse leidet, nur noch weiter verelenden lassen – die unmittelbare Ursache für den Zusammenbruch der Demokraten. Die realen Wochenlöhne sind während Bidens Amtszeit deutlich gesunken und die Ungleichheit hat zugenommen (im Dezember 2023 lebte jede neunte erwachsene Frau in Armut, darunter 16,6 % der schwarzen Frauen und 16,8 % der Latina-Frauen). Gleichzeitig stieg das Gesamtvermögen der US-Milliardär*innen zwischen März 2020 und März 2024 um erstaunliche 88 % (auf 5,5 Billionen Dollar), während das im S&P 500 Index ausgewiesene Kapitalvermögen um 72 % zunahm. Es ist nicht verwunderlich, dass Trump die Mehrheit der Haushalte mit einem Jahreseinkommen von weniger als 100.000 Dollar für sich gewinnen konnte (darunter 74 % der Haushalte, die aufgrund der Inflation von einer «schweren Notlage» berichten), während er die Haushalte mit einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Dollar verlor: eine völlige Umkehrung der parteipolitischen Aufteilung im Jahr 2020 und bei allen vorherigen Präsidentschaftswahlen.
Letztlich verschafften diese wirtschaftlichen Missstände Trump einen so großen Vorsprung, dass sich der Stimmenanteil Dritter als gar nicht entscheidend erwies: eine weitere Demütigung für die Demokraten, die alles daran setzten, progressive Anti-Völkermord-Kandidat*innen vom Wahlzettel fernzuhalten. Auf den ersten Blick scheint die Tatsache, dass viele Wähler*innen von den Misserfolgen der massiven Ausgabeninitiativen der Biden-Harris-Regierung im Inland enttäuscht waren, nahezulegen, dass es nicht so einfach ist, die Niederlage von Harris direkt auf Bidens Außenpolitik zurückführen. Aber man kann den Haushalt eines Landes kaum als «inländisch» bezeichnen, wenn er auch den Militärhaushalt umfasst – einschließlich der Aufrechterhaltung eines weltumspannenden Imperiums mit über 900 Militärstützpunkten, Investitionen in Höhe von 175 Milliarden Dollar in den Stellvertreterkrieg in der Ukraine und 18 Milliarden Dollar in Israels Völkermord, und wenn die tatsächlichen Militärausgaben mehr als doppelt so hoch sind wie die offiziellen Zahlen – erstaunliche 1,5 Billionen Dollar allein im Jahr 2022. Der Trumpismus in all seinen paradoxen Extremen von Isolationismus und Kriegstreiberei, Populismus und Nativismus ist nur ein weiteres morbides Symptom dieses gewaltsamen imperialen Niedergangs.
Diese morbiden Symptome, die im Briefing Nr. 15 beschrieben werden, spiegeln den Wunsch der herrschenden Klasse der USA nach einem Krieg wider, um die wirtschaftlichen Fortschritte Chinas zu untergraben. Das ist gefährlich. Vielleicht sollten wir auf diejenigen hören, die wissen, was Kriege bringen. Cao Cao, ein Kriegsherr zur Teit der östlichen Han-Dynastie, schrieb ein bezauberndes Gedicht mit einer deutlichen Warnung:
Läuse und Flöhe befallen die lange getragene Rüstung;
Zehntausende von Zivilisten sind umgekommen.
Die Knochen liegen kahl auf den Feldern,
Im Umkreis von tausend Meilen hört man keinen Hahn krähen.
Von hundert lebt einer;
Der bloße Gedanke daran bricht mir das Herz.
Herzlichst,
Vijay