Der zehnte Newsletter (2025)

Liebe Freund*innen,
Grüße aus dem Büro von Tricontinental: Institute for Social Research.
Ja, die Überschrift dieses Newsletters ist korrekt.
Was den Internationalen Währungsfonds (IWF) betrifft, so ist jeder Mensch im Globalen Norden neun Menschen im Globalen Süden wert. Diese Berechnung ergibt sich aus den Daten des IWF zur Stimmkraft in der Organisation im Verhältnis zur Bevölkerung der Staaten des Globalen Nordens und des Globalen Südens. Jedes Land erhält auf der Grundlage seiner «relativen wirtschaftlichen Position», wie der IWF sagt, ein Stimmrecht zur Wahl von Delegierten in das Exekutivdirektorium des IWF, das alle wichtigen Entscheidungen der Organisation trifft. Ein kurzer Blick auf den Vorstand zeigt, dass der Globale Norden in dieser wichtigen multilateralen Institution für verschuldete Länder stark überrepräsentiert ist.
Die Vereinigten Staaten beispielsweise verfügen über 16,49 % der Stimmen im IWF-Direktorium, obwohl sie nur 4,22 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Da das IWF-Übereinkommen 85 % der Stimmen erfordert, um Änderungen vorzunehmen, haben die USA ein Vetorecht bei den Entscheidungen des IWF. Infolgedessen beugen sich die leitenden Mitarbeiter des IWF jeglicher Politik der US-Regierung und beraten sich, zumal sich der Sitz der Organisation in Washington, DC, befindet, häufig mit dem US-Finanzministerium über ihren politischen Rahmen und einzelne politische Entscheidungen.

Als beispielsweise die Regierung der Vereinigten Staaten 2019 beschloss, die Regierung Venezuelas einseitig nicht mehr anzuerkennen, übte sie Druck auf den IWF aus, dem Beispiel zu folgen. Venezuela – eines der Gründungsmitglieder des IWF – hatte den IWF mehrfach um Hilfe gebeten, 2007 ausstehende IWF-Darlehen zurückgezahlt und dann beschlossen, den IWF nicht mehr um kurzfristige Hilfe zu bitten (die venezolanische Regierung verpflichtete sich stattdessen zum Aufbau der Bank des Südens, um verschuldeten Ländern bei Zahlungsbilanzdefiziten Überbrückungskredite zu gewähren). Während der Pandemie versuchte Venezuela jedoch, wie viele andere Länder auch, auf seine 5 Mrd. USD und 400 Mio. USD an Sonderziehungsrechten (die „Währung“ des IWF) zurückzugreifen, zu denen es im Rahmen der globalen Liquiditätsinitiative des Fonds Zugang hatte. Der IWF beschloss jedoch auf Druck der USA, das Geld nicht zu überweisen. Zuvor war bereits ein Antrag Venezuelas abgelehnt worden, 400 Millionen Dollar aus seinen Sonderziehungsrechten zu erhalten.
Obwohl die USA behaupteten, der rechtmäßige Präsident Venezuelas sei Juan Guaidó, bestätigte der IWF auf seiner Website weiterhin, dass der Vertreter Venezuelas beim IWF Simón Alejandro Zerpa Delgado sei, der damalige Finanzminister der Regierung von Präsident Nicolás Maduro. Der Sprecher des IWF, Raphael Anspach, antwortete nicht auf eine E-Mail, die wir im März 2020 über die Verweigerung der Gelder schickten, erklärte aber in einer formellen Mitteilung, dass das «Engagement des IWF mit Mitgliedsländern auf der offiziellen Anerkennung der Regierung durch die internationale Gemeinschaft beruht». Da es «keine Klarheit» über diese Anerkennung gebe, schrieb Anspach, werde der IWF Venezuela während der Pandemie keinen Zugang zu seiner eigenen Sonderziehungsrechtsquote gewähren. Dann entfernte der IWF plötzlich Zerpas Namen von seiner Website. Dies geschah ausschließlich auf Druck der USA.
Im Jahr 2023 wies der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei der Neuen Entwicklungsbank (BRICS-Bank) in Schanghai, China, auf die «Erstickung» der IWF-Politik in Bezug auf ärmere Länder. Zum Fall von Argentinien sagte Lula: «Keine Regierung kann mit einem Messer an der Kehle arbeiten, weil sie verschuldet ist. Die Banken müssen geduldig sein und, wenn nötig, Verträge erneuern. Wenn der IWF oder eine andere Bank einem Land der Dritten Welt Geld leiht, meinen diese Leute das Recht zu haben, Befehle zu erteilen und die Finanzen des Landes zu verwalten – als wären die Länder Geiseln derer geworden, die ihnen Geld leihen».

Alles Gerede über Demokratie löst sich auf, wenn es um die eigentliche Grundlage der Macht in der Welt geht: die Kontrolle über das Kapital. Letztes Jahr hat Oxfam gezeigt, dass «die obersten 1 % der Welt mehr Reichtum besitzen als 95 % der Menschheit» und dass «mehr als ein Drittel der 50 größten Unternehmen der Welt – mit einem Wert von 13,3 Billionen Dollar – [inzwischen] von Milliardär*innen geleitet wird oder eine*n Milliardär*in als Hauptaktionär*in hat». Mehr als ein Dutzend dieser Milliardär*innen sind jetzt im Kabinett von US-Präsident Donald Trump; sie repräsentieren nicht mehr die 1 %, sondern die 0,0001 % oder das Zehntausendstel Prozent. Bei dem derzeitigen Tempo wird die Welt bis zum Ende dieses Jahrzehnts fünf Billionär*innen erleben. Sie kontrollieren die Regierungen und haben daher einen außerordentlichen Einfluss auf multilaterale Organisationen.
1963 brachte der nigerianische Außenminister Jaja Anucha Ndubuisi Wachuku seine Enttäuschung über die Vereinten Nationen und andere multilaterale Organisationen zum Ausdruck. Afrikanische Staaten, so sagte er, hätten «kein Recht, ihre Meinung zu bestimmten Themen in wichtigen Organen der Vereinten Nationen auszudrücken». Kein afrikanisches Land – und auch kein lateinamerikanisches Land – habe einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Im IWF und in der Weltbank konnte kein afrikanisches Land eine Agenda bestimmen. In Bezug auf die Vereinten Nationen fragte Wachuku: «Werden wir immer die Veranda-Jungs bleiben?«, für immer am Katzentisch und nie bei denen, die die Entscheidungen treffen. Obwohl der IWF für 2024 einen weiteren Sitz für einen afrikanischen Vertreter hinzufügte, ist dies bei weitem nicht ausreichend für den Kontinent, der zwar mehr IWF-Mitglieder (54 von 190 Ländern) stellt und mehr aktive IWF-Kreditprogramme als jeder andere Kontinent hat (46,8 % von 2000 bis 2023), aber trotzdem den zweitniedrigsten Stimmanteil nach Ozeanien hat. Nordamerika, mit zwei Mitgliedern, hat 943.085 Stimmen, während Subsahara-Afrika, mit 54 Mitgliedern, 326.033 Stimmen hat.

Nach der Finanzkrise 2007 und zu Beginn der dritten Weltwirtschaftskrise beschloss der IWF, einen Reformprozess einzuleiten. Das Reformbedürfnis entstand, weil Überbrückungskredite des IWF – die sich eigentlich nicht nachteilig auswirken sollten – am Ende einem Land auf den Kapitalmärkten schadeten, weil die Aufnahme eines Kredits mit dem Stigma einer schlechten Leistung behaftet war. Weiteres Geld wurde dem Land demnach zu höheren Zinssätzen geliehen, was Krisen, die den Antrag auf einen Überbrückungskredit überhaupt erst ausgelöst hatte, nur noch verschärfte.
Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Problem: Alle geschäftsführenden Direktor*innen des IWF waren Europäer*innen, was bedeutet, dass der Globale Süden in den oberen Rängen der IWF-Führung nicht vertreten war. Die gesamte Abstimmungsstruktur im IWF hat sich verschlechtert, wobei die Quotenabstimmungen (basierend auf der Größe der Wirtschaft und dem finanziellen Beitrag zum IWF) an Umfang zunahmen, während die demokratischeren «Basisabstimmungen» (ein Land, eine Stimme) an Einfluss verloren. Diese unterschiedlichen Stimmen werden in zwei Formen gemessen: berechnete Quotenanteile (CQS), die durch eine Formel festgelegt werden, und tatsächliche Quotenanteile (AQS), die durch politische Verhandlungen festgelegt werden. In einer Berechnung für 2024 hat China beispielsweise einen AQS von 6,39 %, während sein CQS 13,72 % beträgt. Um die AQS Chinas zu erhöhen, müsste die AQS anderer Länder, wie z. B. der Vereinigten Staaten, gesenkt werden. Die USA haben eine AQS von 17,40 %, die auf 14,94 % gesenkt werden müsste, um die Steigerungen in anderen Ländern auszugleichen. Diese Verringerung des US-Anteils würde daher ihre Vetomacht aushöhlen. Aus diesem Grund haben die USA die IWF-Reformagenda im Jahr 2014 zu Fall gebracht. Im Jahr 2023 ist die IWF-Reformagenda erneut gescheitert.

Paulo Nogueira Batista Jr. war von 2007 bis 2015 Exekutivdirektor für Brasilien und mehrere andere Länder beim IWF, von 2015 bis 2017 Vizepräsident der Neuen Entwicklungsbank und schreibt für die internationale Ausgabe der führenden chinesischen Zeitschrift Wenhua Zongheng. In einem wichtigen Papier mit dem Titel A Way out for IMF Reform (June 2024) schlägt Batista eine Sieben-Punkte-Reformagenda für den IWF vor:
1. Lockerung der Konditionalitäten für Kredite.
2. Senkung der Aufschläge für längerfristige Kredite.
3. Verstärkung der konzessionären Kreditvergabe zur Beseitigung der Armut.
4. Aufstockung der Gesamtmittel des IWF.
5. Die Macht der Basisstimmen erhöhen, um den ärmeren Ländern eine stärkere Vertretung zu geben.
6. Der afrikanische Kontinent sollte einen dritten Vorsitz im Direktorium erhalten.
7. Schaffung eines fünften stellvertretenden geschäftsführenden Direktor*innenpostens, der von einer ärmeren Nation besetzt wird.
Wenn der Globale Norden solche grundlegenden, vernünftigen Reformen ignoriert, so Batista, «werden die Industrieländer die alleinigen Eigentümer einer leeren Institution sein». Der Globale Süden, so sagt er voraus, wird aus dem IWF austreten und neue Institutionen unter der Ägide neuer Plattformen wie der BRICS gründen. In der Tat sind solche Institutionen bereits im Aufbau begriffen, wie etwa das BRICS Contingent Reserve Arrangement (CRA), das 2014 nach dem gescheiterten Versuch, den IWF zu reformieren, ins Leben gerufen wurde. Aber das CRA «verharrte weitgehend in Starre», schreibt Batista.
Bis es in Bewegung kommt ist der IWF die einzige Institution, die die für ärmere Länder notwendigen Finanzmittel bereitstellt. Deshalb sind selbst fortschrittliche Regierungen wie die in Sri Lanka, wo die Zinszahlungen 41 % der Gesamtausgaben im Jahr 2025 ausmachen, gezwungen, nach Washington zu gehen. Auf dem Weg zum Sitz des IWF, mit dem Hut in der Hand, lächeln sie dem Weißen Haus zu.
Herzlichst,
Vijay